Dass sich Unterrichtsinhalte verändern, dass sich Schule und Unterricht den gesellschaftlichen Erfordernissen anpassen – eine Selbstverständlichkeit. Dass aber im Zuge eines Unterrichtsprofils ein Teil des Unterrichts im Wald stattfindet, ist im Ennepe-Ruhr-Kreis einmalig: An der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule gibt es zwei so genannte „Waldklassen“.

 

Der Lernort ist bei den Profistunden anderswo, nicht in den angestammten Klassenräumen. Kunst und Kultur haben ebenso ihren Platz in den Outdoor-Angeboten, wie Soziales Lernen, Naturkunde oder Biologieunterricht.

 

Die Idee stammt von Lehrerin Kathrin Schumacher, die Deutsch, Sport und Mathematik unterrichtet. Aus einer Erkundigung nach den Ferienerlebnissen kristallisierte sich Wandern heraus, sie machte einen Schulwanderführerschein, dann kam Corona. Auch ihren Sportunterricht habe sie in der Zeit in den Wald verlegt, daraus sei die Idee vom Lernort Wald entstanden, erläutert die engagierte Lehrerin.

 

Weil man mit den 27 Kindern ihrer Klasse nicht alleine losziehen darf, ist die Kollegin für Naturwissenschaften und Englisch, Katharina Pick, diejenige, die in diesem „Teamteaching“-Projekt mitmacht. Bevor die fröhliche Gruppe startete, notierte die Lehrerin auf dem interaktiven Whiteboard, was die Kinder mit in den Wald nehmen müssen: Forschertagebuch, die Fachmappe für Naturwissenschaften, Mittagessen, Regenkleidung und gute Laune. Trotz des Dauerregens malte Kathrin Schumacher mit dem Zeigefinger in gelber Farbe eine Sonne auf die digitale Tafel.

 

Paarweise ging es dann gemeinsam über die Mittelstraße Richtung Wald. Unterwegs gab es die Gelegenheit, auf regennassen dicken Stämmen der umgefallenen Buchen sein Pausenbrot zu essen, Sitzkissen und Unterrichtsmaterial wurden im Bollerwagen von Schülern transportiert, die sich für diese Aufgabe sofort meldeten. Der Rückweg sei dann schwieriger, weil der Weg steil ansteigt, erläuterte Kathrin Schumacher, aber es fänden sich immer unaufgefordert Helfer, die gemeinsam mit anpackten, ist sie über die soziale Kompetenz, die sich in der Waldklasse entwickelt, begeistert.

 

„Der Aufenthalt im Wald und die gemeinsame Arbeit an Projekten führt außerdem dazu, dass sich ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern aufbaut“, zieht die Ideengeberin Bilanz. Dabei ist der Waldunterricht ebenso aufwändig vorbereitet, wie der Unterricht im Klassenraum. In einer riesigen Tasche befanden sich Siebe, Lupen, Petrischalen, in denen die Akteure des Tagesthemas – Insekten – transportiert und untersucht werden konnten. Katharina Pick bereitete die Kinder schon mal darauf vor, dass sie wegen des Regens möglicherweise länger würden suchen müssen. Den kleinen Forscherinnen und Forschern schien das Wetter aber gar nichts auszumachen. Die Füße steckten in wasserdichten Schuhen oder Gummistiefeln, Regenhosen, Kapuzen.

 

Die Dreiergruppen fanden sich rasch zusammen, nahmen die laminierte Übersicht der im Wald lebenden Insekten entgegen, dazu waren Arbeitsblätter vorbereitet, auf denen die Insekten beschrieben und gezeichnet werden sollten. Dass sich unter dem herbstlichen Blätterdach auch prima fächerübergreifend arbeiten lässt, wurde schon bald deutlich: Während die Naturkunde-Lehrerin die Merkmale von Insekten, so wie sie im theoretischen Unterricht vorbereitend besprochen wurden, noch einmal abfragt, stellt die Mathe-Lehrerin die Beziehung zu Symmetrie und Spiegelachse her; Begriffe, die später im Mathematikunterricht wieder auftauchen würden.

 

Mija hatte durch ihren Bruder von den Waldklassen gehört: „Er hat total spannende Sache erzählt. Das wollte ich auch erleben und habe mich deshalb für die Outdoor-Klasse entschieden“, erläutert die Elfjährige. Für eine Dreiergruppe, die auch zwei Jungen namens Moritz und Neo besteht, ist das eigenen Interesse an der Natur groß. Moritz hat einen Hund und ist sehr tierlieb und naturverbunden, und die Familien seiner Klassenkameraden Neo und Moritz haben zu Hause Landwirtschaft. Auch diese beiden sind nicht nur naturverbunden, sondern haben auch schon viel Erfahrung im Wald und mit den Tieren gesammelt. Für sie war die Entscheidung für die Waldklasse alternativlos.

(Caroline Büsgen, WAZ)

Ein WAZ-Bericht über unsere Waldklassen